Jakob Arjouni – Kayankaya

So muss ein Buch beginnen!

Slibulsky und ich klemmten im leergeräumten Geschirrschrank eines kleinen brasilianischen Restaurants am Rand des Frankfurter Bahnhofsviertels und warteten auf Schutzgeldeintreiber.

Und ich stellte mir dabei Romarios Gesicht vor. Er war der Eigentümer und Wirt des “Saudade” und hatte mich um Hilfe gebeten.

Für Anfang Mai war es außergewöhnlich warm…Was Romario nicht davon abhirlt, seine Heizungen bis zum Anschlag aufzudrehen – aus Gewohnheit und weil die Schimpferei übers deutsche Wetter so was wie eine seiner letzten Brücken nach Brasilien war. Seit zwanzig Jahren lebte er in Frankfurt, fuhr in den Ferien an die Côte d’Azur, und ob zerkochtes Hühnchen in saurer Soße oder trockene Schweinskoteletts mit Dosenerbsen typisch brasilianische Spezialitäten sind, wußte ich zwar nicht, aber es war dem Land zumindest nicht zu wünschen. Jedenfalls konnte die ganze Stadt im T-Shirt unterwegs sein und seine Kundschaft an Hitzschlag verrecken, Romario bestand darauf, daß es in Deutschland dauernd kalt sei, während in Brasilien immer die Sonne scheine – allgemein schlechte und allgemein gute Laune inbegriffen.

“Slibulsky?” “Hmhm?” “Was hast du zu Abend gegessen?” …”Tja, mal überlegen…Ach ja, genau: Handkäs. …” “Mit Zwiebeln.” “Klar mit Zwiebeln. Ißt du Handkäs vielleicht mit Erdbeeren?” … “Hab ich dir nicht gesagt, daß wir eine Weile gemeinsam in diesem Loch verbringen würden?” “Doch, du hast davon geredet, glaub schon. Allerdings hatte ich den Schrank irgendwie größer in Erinnerung.” “So? Wie groß? Ich meine, wie groß muß ein Schrank sein, damit zwei, von denen der eine sich kurz davor den Bauch mit Zwiebeln vollgeschlagen hat, unbelästigt drin atmen können ” … “Ich denke, wir sind hier, um irgend ‘ne Mafia zu verjagen? Mit Knarren und kugelsicheren Westen, wie richtige Kerle. Aber vielleicht möchte Fräulein Kayankaya statt des Detektivbüros lieber einen Frisörsalon betreiben?”
….
– aus: Jakoub Arjouni, “Kismet. Ein Kayankaya-Roman”(2001, Diogenes)

jochenkr

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